Ein
Architekt kann mehr als Pläne zeichnen!
Stefan Schwarz, der neue Besitzer der Markus Friedli AG über
sich selbst und darüber, wie er sich den Einsatz des Architekten bei
einem Bauvorhaben vorstellt.
Stefan Schwarz, du hast in einer wirtschaftlich nicht
einfachen Zeit die Markus Friedli AG übernommen, einen Zweimannbetrieb,
der sich auf kleinere und mittlere Bauprojekte, Energieberatung und
Schätzungen spezialisiert hat. Wie bist du auf die Idee gekommen, eine
solche Herausforderung anzunehmen?
Ich bin ein Mann aus der Praxis,
einer, der sein wichtigstes Baumaterial von Grund auf kennt und weiss,
was damit möglich ist: Ich habe zuerst eine Lehre als Hochbauzeichner
absolviert und mich anschliessend zwei Jahre als Zimmermann
weitergebildet. Daraufhin wollte ich etwas Neues machen, dabei die
Praxisnähe erhalten und diese ergänzen mit Erfahrungen aus dem Bereich
der Schätzungen und der Energieberatung. Auf diese Weise kann ich
meiner Kundschaft eine fundierte und umfassende Betreuung vor Ort
bieten, die weit über das Planerische hinausgeht. Markus Friedli hat ja
auch ausdrücklich einen Allrounder gesucht, der nicht nur im Büro
sitzt, sondern auch draussen aktiv ist und sowohl die Bauherrschaft wie
auch die Handwerker kompetent beraten kann.
Wie wirkt sich dein enges Verhältnis
zur Baupraxis im Alltag aus?
In erste Linie im Respekt vor
der bestehenden Bausubstanz. Natürlich kann auch ich etwas komplett
Neues entwerfen und ein Haus auf die grüne Wiese stellen, aber die
vorhandene Substanz – vorausgesetzt sie ist noch in gutem Zustand – hat
für mich einen besonderen Reiz, namentlich wenn es sich dabei noch um
Holz handelt. Nicht alles Alte muss nämlich bei einem Umbau hinter
modernem Verputz oder unter Chromstahlblenden verschwinden. Eine alte
Bruchsteinmauer oder ein funktionstüchtiger Sitzofen können durchaus in
einen modernen Umbau integriert werden. Sogar elektrische Leitungen
müssen nicht immer verdeckt sein, sondern können als nachträglich in
ein Gebäude eingebrachte Elemente bewusst sichtbar geführt werden. Der
Charakter der Besitzer oder zumindest deren Verhältnis zum Objekt kann
so in einem Gebäude unmittelbar zum Ausdruck kommen. Kurz: gut
erhaltene Bauteile können – nicht immer, aber oft – als
Gestaltungselemente in einer modernen Umgebung eingesetzt werden und
diese raffiniert akzentuieren. Ich sehe mir deshalb bei Umbauten die
Bausubstanz auch unter diesem Aspekt immer besonders gut an. Aber es
ist selbstverständlich Sache der Bauherrschaft, derartige
Gestaltungsvorschläge der Architekten aufzunehmen oder nicht.
Ein wichtiges Thema, die Bauherrschaft.
Sie bezahlt, also befiehlt sie auch. Welche Ansprüche stellst aber du
als Architekt deinerseits an deine Auftraggeberinnen und Auftraggeber?
Die Bauherrschaft muss wissen, was sie will
Die Bauherrschaft muss zunächst
einmal wissen, was sie eigentlich haben möchte und wieviel Geld sie
dafür ausgeben kann oder will. Daraufhin muss sie bereit sein, dem
Architekten zuzuhören, der ihr Vorschläge macht und vorrechnet, was das
kostet, was sie haben möchte bzw., was sie für den Betrag erhält, den
sie ausgeben will. In dieser Phase muss zwischen den Parteien völlige
Offenheit herrschen über Vorstellungen und Mittel, so dass der
Architekt weiss, in welche Richtung und in welchem Umfang er planen
kann. Es lohnt sich auch, zu Beginn eines Bauvorhaben mehr als nur das
Notwendigste in die Beratung durch den Architekten zu investieren. Wenn
man dafür nicht unbefriedigende oder gar unbrauchbare Eigenleistungen
durch teure Fachleute richtigstellen lassen muss, hat man unter
Umständen viel Geld eingespart. Das Problem liegt bloss darin, dass
dieses Sparpotenzial vielen Bauherren erst bewusst wird, wenn sie die
Mehrkosten tragen müssen.
Mit anderen Worten, der Architekt kann
und soll unter anderem sparen helfen. Wie steht es denn mit den Kosten
für die Architekturleistungen? Kann man diese genau budgetieren?
Bei Neubauten ja,
bei Umbauten weniger gut. Ich arbeite deshalb nach Möglichkeit nicht
mit einem Pauschalhonorar, sondern rechne meine Leistungen nach Aufwand
ab. Genauso wie Sonderausstattungen und Abänderungen auf dem Bau zu
Mehrkosten führen, steigt ja auch der Aufwand für die Planung und
Bauleitung, wenn die Pläne dauernd überarbeitet, neue Offerten
eingefordert und überprüft werden müssen und die Präsenz auf der
Baustelle viel grösser sein muss als ursprünglich geplant.
Geht man hingegen von einer
Pauschale aus für die Architekturleistung, so reicht dieses Geld
vielleicht nur für den Rohbau, wenn schon bis dahin sehr viele
Projektänderungen vorgenommen werden mussten. Man kann ja aber als
bauleitenden Architekt nicht einfach aussteigen, aber man kann auch
nicht beliebig viele unbezahlte Stunden in ein Projekt stecken, das
wegen fehlender Zielvorstellungen der Bauherrschaft finanziell aus dem
Ruder läuft.
Mit anderen Worten, man sollte
bedenken, dass der Architekt nicht primär dazu da ist um Normelemente
einzubauen, sondern um die individuellen Wünsche der Bauherrschaft in
der Planung und in der Bauleitung kreativ aber solid zu realisieren.
Insofern soll das Architekturhonorar eine Variable sein – aber eine, um
die man sich als Bauherrschaft keine Sorgen zu machen braucht, wenn man
sich zu Beginn des Projekts darüber einig geworden ist, was man
gemeinsam erreichen will.
Am Schluss dieser Zusammenarbeit
zwischen Bauherrschaft und Architekt steht ein Umbau oder ein Neubau –
steuer- und versicherungstechnisch auf jeden Fall eine Wertvermehrung,
also möglicherweise ein Fall für das zweite Standbein deiner Tätigkeit,
die amtliche Schätzung. Welche Bedeutung hat das Schätzen für dich und
die Firma?
Eine sehr grosse! Zum Einen ist
das Schätzen eine äusserst interessante Tätigkeit, die einen
ausgezeichneten Einblick gibt in die vielfältige Bausubstanz der
Umgebung und zum anderen, das darf man ruhig sagen, ist eine gute
Schätzung auch eine ausgezeichnete Werbung. Eine gute
Schätzung nach meiner Auffassung entspricht nicht immer der
Idealvorstellung der Kunden (vor allem dann nicht, wenn sich diese
einen hohen Verkaufspreis erhoffen), sondern liegt dann vor, wenn ein
Gebäude tatsächlich den Schätzpreis wert ist und von Banken und
Interessenten auch so taxiert wird. Wenn meine Schätzungen dies
erfüllen, dann trauen mir die Kunden auch den nötigen Sachverstand in
anderen Bereichen zu und kommen nicht selten später auch mit konkreten
Fragen oder Anliegen zu mir. Aus Schätzungen können also sehr wohl
später Aufträge entstehen, sei es für weitere Schätzungen oder im
Architekturbereich. So gesehen war die von Markus Friedli über lange
Jahre sorgsam aufgebaute Schätzertradition sogar ein wichtiges Argument
für die Übernahme der Firma.
Jede Übernahme bedeutet früher oder
später auch die Ausprägung einer persönlichen Geschäftspolitik. Wie
könntest du deine eigene Geschäftspolitik umschreiben?
Vorerst einmal sicher ohne
einschneidende Änderungen gegenüber der bisherigen. Der bestehende
Kundenstamm ist ja fast ausschliesslich noch von Markus Friedli
aufgebaut worden und bleibt der Firma hoffentlich auch unter meiner
Leitung weitgehend erhalten. Entwicklungen wird es sicherlich geben,
doch wohin diese führen, hängt weitgehend von der wirtschaftlichen
Entwicklung und namentlich von derjenigen der Energiepreise ab. Ein
verstärktes Engagement im Bereich Energieberatung kann ich mir durchaus
vorstellen, falls die Preise markant steigen sollten. Daneben will ich
aber auf jeden Fall meine Verantwortung als Fachmann den Bauherren
gegenüber wahrnehmen, so dass wir beide, dies als mein persönliches
Ziel, bei jedem Bau in Frieden auseinandergehen können.